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Von bedürfnisorientiert zum Oberfeldwebel

Ein langer Marsch war es von der bedürfnisorientierten Erziehung zum Oberfeldwebel. In dieser Episode möchte ich gerne die Konsequenzen aufzeigen die sich für mich dadurch ergeben haben. Manchmal lernt man aus den Misserfolgen anderer mehr als aus den eigenen 😉

Aber hört es Euch doch am besten selber an.

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Von bedürfnisorientiert zum Oberfeldwebel

Was bedeutet bedürfnisorientiert Erziehen?

Kurzgefaßt bedeutet bedürfnisorientiertes Erziehen bzw. Attachment Parenting, dass es bei der Erziehung immer erst mal um die Bedürfnisse des Kindes geht. Bestimmt werden einige „Fachleute“ hier widersprechen, ich glaube jedoch das die breite Menge es auch so versteht und einfach anwendet.

Wie habe ich die bedürfnisorientierte Erziehung angewendet?

Ich muss sagen, mit der Geburt unserer Tochter war für mich klar, das ich es im Tuch tragen will. Es ist auch wirklich schön so einen kleine Wurm im Tuch zu haben :-).Also, wie soll es anders sein, kaum hat man ein Tragetuch umgebunden und ein kleines Wesen drin, zieht man auch die Mütter an, die sich im selben Dunstkreis auf den sozialen Plattform bewegen und dieselben Erziehungsratgeber lesen. Sie sind ja so klein und kennen noch keine Grenzen. Sie verstehen ja sowieso noch gar nichts. Auch nicht mit drei Jahren. Das Wort Grenzen darf man sowieso beim ersten Kind noch gar nicht erwähnen. Unwort in Kreisen von Attachment Parenting.
Wie dem auch sei, das erste Kind war da und ich habe 100 retorische Fragen gestellt: „was willst du denn? Was brauchst du denn? Willst du jetzt nicht hier lang laufen?“ Wie es mir ging, sollte eigentlich egal sein. Denn es geht immer erst einmal um die Bedürfnisse des Kindes. Das hat manchmal besser manchmal weniger gut funktioniert. Vor allem mit der „Stillerei“ dazu war es fast schon ein richtiges Aufopfern. Ich habe gerne gestillt, war aber auch froh als ich meine Brüste wieder hatte.

Das zweite Kind kommt und alles ist anders

Adrian und ich waren fleisig bei der Zeugung der Kinder, denn 1 1/2 Jahre später kam schon der nächste Wurm. Ein süßer, knuffeliger Kerl. Ihn habe ich zu Beginn auch getragen. Nur gab es ein Problem, ich habe die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der Wirt war natürlich unsere Tochter. Bisher kannte sie ja nur, was ich will kriege ich auch. Jetzt ist ein anderes Wesen da, das mehr Aufmerksamkeit bekommt als ich. Bedürfnisorientiert sollte sich für mich als „Monsterfail“  für die kommenden 4 Jahre erweisen. Die ersten zwei Monate konnte ich ihn noch auf der Brust tragen. Ab dem dritten Monat war die Stimmung so mies, das ich ihn mir direkt auf den Rücken schnallen musste, damit ich noch genug Aufmerksamkeit für unser erstes Kind hatte. Wieder 1 1/2 Jahre später habe ich ein drittes Mal „geworfen“, wieder einen Jungen. Jetzt war alles anders. Ich war nur noch im „Survivalmodus“. Hauptsache ich gehe nicht unter!

Das Chaos war vorprogrammiert

In all dieser Zeit mit den Kindern war für mich die bedürfnisorientierte Erziehung immer wie ein roter Faden. Das Problem war nur immer, das es nie um meine Bedürfnisse ging. Das hieß dann, „ein Outfit für alles“, Zähne putzen ging noch, gerade so, fast keinen Schlaf (schlafen völlig überbewertet), leben von Brezeln und Plunderteilchen aus dem Discounter. Natürlich gab es auch geschnittenes Obst und Gemüse auf dem Spielplatz oder im teuren Park. Die türkische Version von Kinderbetreuung im Park ist es ja immer irgendwelche Kerne zu futtern oder Chips. Hab ich mich aber nicht so getraut, obwohl ich Chips einfach liebe! Manchmal habe ich es dann doch getan, natürlich nicht im teuren Park, sondern auf dem Türkenspielplatz :-D.

Deutsch-türkische Erziehungsdifferenzen

Leider war es aber so, das ich nicht bedürfnisorientiert erzogen wurde. Bei uns gab es schon mal eine Backpfeife wenn „übertrieben wurde“ und meine Mutter hat mir, ich weiß nicht wie oft, mal die Pantoffeln hinterher geschmissen :-D. Außerdem gab es nie eine feste Uhrzeit wann ich zu Hause sein musste. Ich war immer eine der Letzten auf dem Spielplatz und eine der Ersten mit dem Ball unterm Arm :-D. Jetzt steh ich auf einmal im deutschen Bildungsbürgertum und soll unsere Kinder nach bedürfnisorientierter Norm erziehen. Ein Drahtseilakt! Der Schöpfungsweg für lauter kleine, „Tyrano“saurus-Rexe :-D.

Authentizität rocks!

Egal wie wir uns entscheiden als Eltern, wir wollen es meistens immer besser machen als die eigenen. Ist ja irgendwo auch gut. Ich würde aber behaupten, das es bei zu extremen Gegensätzen nicht besonders gut gehen kann, denn die Kinder spüren es, wenn die Erziehung nicht authentisch ist und werden dadurch noch unsicherer. Hier denke ich, ist es besser lieber mehr am eigenen Wesen dran zu sein, als am gesellschaftlichen Ideal.

Was ist also dann passiert beim Balancieren?

Es ging für mich immer um die Bedürfnisse der Kinder. Jetzt stehe ich aber an einem Punkt, an dem ich aus allen Ecken etwas höre was gebraucht wird und einfach sage, „Kinder, nein, ich kann es euch nicht allen recht machen! Ich entscheide jetzt einfach was gemacht wird! Kümmert euch selbst um euren Kram. Es gibt keine Diskussionen und keine Verhandlungsgrundlage. Direkt nach diesem Satz fallen mir alle Diktatoren auf der Welt ein und ich fühle mich selbst wie einer. Erst ist es unangenehm, doch dann, doch dann…will ich gar nicht mehr raus aus der Rolle. Yes, endlich bin ich mal der Chef in diesem Haufen. Ich sage jetzt, „Nein. Ich will jetzt ein bißchen Ruhe. Ich will jetzt meditieren. Ich will jetzt Bass spielen.“ Ich will jetzt auch mal was, so. Vor allem Respekt.
„Die Älteren sollten die Jüngeren lieben und die Jüngeren die Älteren respektieren.“
Altes türkisches Sprichwort

Was würde ich heute anders machen?

Heute würde ich vieles anders machen. Sobald die Kinder mobil sind durch krabbeln und laufen können sie
– schon ein klares Nein ertragen
– ihre Flasche und Snacks selbst im Rucksack transportieren und auch daran denken
– den Teller in die Spülmaschine räumen
– vor der Tür warten, wenn Mama aufs Klo muss
– nicht mehr getragen werden, nur wenn wirklich notwendig
– bei kleinen Hausarbeiten mithelfen

Resume

Das letzte Mal als ich in der Stadt war, habe ich ein „Akademikerpärchen“ mit ihrem ersten Kind gesehen. Sie haben das Kind bestimmen lassen, wo es lang läuft. Es hat mich so an mich erinnert. Ich dachte nur so, „Oh Nein. in zwei Jahren wird genau dieses Kind wahrscheinlich den Eltern sagen, wo es lang geht und zwar in allen Lebensbereichen. Ich wollte hinrennen und sagen, „hört auf damit!“ Doch eine Stimme sagte mir, „jeder muss wohl oder übel seine eigenen Erfahrungen machen.“
Bitte nicht falsch verstehen: Kinder sind keine Roboter. Aber bedürfnisorientiert erziehen, bedeutet für mich, dass es um die Bedürfnisse aller Familienmitglieder geht.
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